Document

Seebad Utoquai vom zugefrorenem See aus gesehen
Foto Breitinger, 31.1.1891
Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich

Das Seebad Utoquai
Pampinus
Da ich mich als Knabe ums Jahre 1491 zu Zürich im schönen Schweizerlande aufhielt, gingen oft unser zwanzig bis dreissig Schüler zusammen beim ‚Zürichhorn’ – jener Ort ist ungefähr tausend Schritte von der Stadt entfernt – in das Schilfwerk am Seeufer. Dort fertigte sich jeder aus dem Schilfe, das in der Seebucht eine bedeutende Höhe erreicht, ein Bündel an, und befestigte dieses um den Leib, so dass er mit vorgestrecktem Kopf und Hals einer Gans ziemlich ähnlich sah. An das Bündel knüpfte er sein Hemd – denn die übrigen Kleider liessen wir gewöhnlich zu Hause – und so, von unseren Rohrbündeln getragen und wie die Gänse nur mit den Füssen rudernd, schwammen wir in Reih und Glied in den See hinaus. Draussen im See, wohl 40 Schritte vom Ufer entfernt, stand eine sehr grosse steinerne Bildsäule des heiligen Nikolaus im Wasser, die auf einem mächtigen Felsen ruhte und von 1362 an die Banngrenze der Stadt bezeichnete. Nachdem wir den Heiligen in geordneter Reihe dreimal umschwommen und pflichtgemäss gegrüsst hatten – ist er doch der Jugend gütiger Schutzpatron und Helfer in Wassernot -, kehrten wir um und steuerten gerade der Stadt zu. In geordnetem Zuge schwammen wir unter dem Wassertor der Stadt – die Zürcher nennen es ‚Grendel’- durch und befanden uns nun da, wo die Limmat aus dem See zu fliessen beginnt. Dann stimmten wir ein Lied an und schlenderten fröhlich durch die Stadt nach Hause.

Aber noch mehr, lieber Leser, würdest du dich wundern, wenn du mitansehen könntest, wie sich die besten Schwimmer von hohen Brücken herabstürzen, was auch in Basel und Konstanz geschieht. Es gibt in Zürich eine schöne Kirche, welche gleich einem Schiffsschnabel in die Limmat hinausgebaut ist und nach dem Wasser benannt ist. Dort könntest du im Sommer einen merkwürdigen Wettstreit der jungen Leute sehen. in diesem Umkreise folgen sie einander schnellen Zuges gegen den äusseren Teil der Kirche hin, wo wie am Vorderteil eines Schiffes die Strömung des Flusses anprallt und nach beiden Seiten sich teilt. An dieser Stelle Stürzen sich die jungen Waghälse der Reihe nach in die Tiefe des Flusses. Es ist vom Rate erkannt, dass, wer im Begriffe ist herabzustürzen und den Nächstfolgenden nicht beim Namen ruft; oder wer nicht aus der Tiefe irgend etwas anderes heraufbringt, dadurch gestraft werden soll, dass er mit angezogenem Hemde von den andern hinabgeworfen wird.

Diese Erzählung ist der erste schriftliche Bericht über das Schwimmen und Baden in Zürich. Das Buch ‚Colymbetes’ (der Taucher) wurde vom Berner Philosophen Niklaus Wymann verfasst und 1538 in Augsburg gedruckt.

Während der Reformation (1517 - Martin Luther, 95 Thesen | 1523 – Zwinglis öffentliche Disputation in Zürich) sah man im ausgelassenen Treiben der Jugendlichen in der Limmat und im See eine Gefahr für die Sittlichkeit. Im Jahre 1525 erliess der Stadtrat ein Verbot in Zürichs Gewässern zu schwimmen, zu springen oder Lärm zu machen.

Dieses Verbot vermochte jedoch nicht jedermann zu beeindrucken, erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit dem gesellschaftlichen Aufstieg, wurde das Baden auch in Zürich als ‚pöbelhaft und unanständig’ angesehen.

Die Aufklärung hatte jedoch bereits begonnen, Medizin und Ideen über Gesundheit und Hygiene zu reformieren. Auch Jean Jaques Rousseau’s Ruf nach neuer Naturverbundenheit tat seinen Teil. Für die Befürworter des Badens stand vor allem das Schwimmen der Kinder im Vordergrund. Die erste Badeanstalt, welche der Stadtrat 1804 erstellen liess, war die Knabenschwimmanstalt bei der Kohlenschanze, in der Nähe des heutigen Bellevues.

Ebenfalls 1804 verfasste Diethelm Lavater ein Schreiben, in dem er eine geordnete Bademöglichkeit für Frauen forderte: ‚auf dass sie nicht mehr nachts in den laufenden Brunnen badeten’. 1837 liess der Stadtrat in der Nähe des Bauschänzlis beim Seeabfluss eine ‚Badehütte für Frauen’ erstellen.

Im Jahre 1870 wurde, in Zusammenarbeit mit den Gemeinden Enge und Riesbach, die Planung der neuen Quaianlage in Angriff genommen, so entstanden die ersten Kastenbadeanstalten (abgeschlossene Anlage, die auf Stützen oder Schwimmern im Wasser steht und nur über einen Steg vom Land aus trockenen Fusses erreicht werden kann).

Die Badeanlage Utoquai wurde 1890 als Ersatz für die Riesbachbadi nach den Plänen von William Henri Martin als eigentlicher Badepalast erstellt. Dieser neue Bau, der auf Pfählen vor den Quaibauten steht, war von Anfang an recht grosszügig konzipiert. Er wies vier getrennte, in sich geschlossene Abteile für Frauen, Mädchen, Männer und Knaben auf. Jedes Abteil hatte ein eigenes Becken, das gegen den See offen war. Die Kabinen waren hufeisenförmig gegen das Land angeordnet. Nach 1908 folgten diverse Umbauten um den sich ändernden Bedürfnissen der Badegäste gerecht zu werden. Im Jahre 1942 wurde es umfassend renoviert, wobei die reich verzierten Kuppeltürme mit sachlichem Unverstand entfernt und durch einfache Blechdächer ersetzt wurden.